Wenn man genauer hinschaut, sieht man, dass die Anfänge von Dada nicht erst 1916 in Zürich zu lokalisieren sind, sondern bereits vor dem Ersten Weltkrieg in München liegen. Dort haben nicht nur die späteren Dadaisten Hugo Ball, Emmy Hennings und Richard Huelsenbeck gewirkt, sondern viele andere avantgardistische Künstler und Schriftsteller auch. Es ist erstaunlich, dass diese Rolle Münchens bis heute niemand umfassend dargestellt hat. Umso mehr darf man sich nun über das Buch von Bernhard Rusch freuen, das diese Lücke füllt und darüber hinaus viele nicht mehr bekannte Zusammenhänge und Figuren der Moderne der Vergessenheit entreißt.
Dr. Eckhard Faul, Geschäftsführer der Hugo Ball Gesellschaft
München, und hier insbesondere Schwabing, kann in vielerlei Hinsicht als ein Ort der Einstimmung auf Dada in Zürich betrachtet werden. Sophie Taeuber-Arp geht hier erstmals ins Kabarett und begeistert sich für den modernen Tanz, wenn auch vorerst noch als Zuschauerin. Der Münchner Fasching mit seinen zahlreichen Bällen beeinflusst ihre spätere Arbeit in der Kostümabteilung der Zürcher Laban-Schule, ihren Tanzauftritt in der Galerie Dada 1917 und ist selbst noch in ihren Marionetten von 1918 spürbar. Solche und viele andere Bezüge zwischen den beiden Städten und Dada erforscht Bernhard Rusch detail- und kenntnisreich in seinem Buch.
Walburga Krupp, Mitherausgeberin der edition Sophie Taeuber-Arp (Briefe 1905 – 1942) und Co-Kuratorin der Sophie-Taeuber-Arp-Ausstellung am Museum of Modern Art, New York, dem Kunstmuseum Basel und der Tate Modern in London 2020/21
Die exzellenten Werke von Bernhard Rusch kenne ich schon seit Jahren – vor allem auch die über Dada in München und die vielfältigen Bezüge zu anderen Feldern der Forschung: etwa zu der Wirkung der Schriftsteller Franz Jung, Erich Mühsam oder des Psychoanalytikers Otto Gross in München und anderwärts. Die Publikation über Dada in München zählt zu den bedeutenden Beiträgen über Desiderata der Wissenschaft und Literatur.
Prof. Dr. Albrecht Götz von Olenhusen, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
„Dada und München“ von Bernhard Rusch ist ein interessanter Text, der in vielen Details das geistige „Personal“ jener Zeit porträtiert. München wurde keine Dada-Stadt, weil niemand dort Dada-Ausstellungen organisierte. Es wäre zu wünschen, dass Ruschs Werk Dadas Bindung an München in die Kunstgeschichte holt.
Walter Vitt, Journalist, Kunstschriftsteller und Ausstellungskurator
Zu sagen, er sei ein leidenschaftlicher Sammler und ein kluger Kritiker vorhandener Untersuchungen, wäre untertrieben. Bernhard Rusch ist ein Kenner Dadas. Und zwar im besten Sinne. Jemand, der nicht nur nachvollziehen, sondern auch verstehen will.
Prof. Dr. Max Ackermann, Technische Hochschule Nürnberg
In „Dada & München“ geht es um einen Zeitabschnitt in der ersten Hälfte des Zwanzigsten Jahrhunderts, in dem Ideen mit übergreifenden Erklärungsansätzen für die gesamte Gesellschaft entwickelt wurden: zwischen Kommunismus und Anarchie ‒ von der Psychologie bis zur Freikörperkultur. Neben neuartigen Heilsversprechen standen die Verheißungen der Kirche. Der komplexen Realität hielten die meisten Theorien und Bekenntnisse nicht stand, was den Wunsch nach Erlösung nicht schmälerte, dafür aber zu Sektierertum, Rechthaberei und – im politischen Bereich – zu Gewalt führte. In Deutschland waren Krieg, Revolution und vor allem der Nationalsozialismus drei Folgen der Sehnsucht nach dem umfassenden „Befreiungsschlag“.
Ähnlich suchte die Kunst nach dem Gesamtkunstwerk und wollte zum gesellschaftlichen Wandel beitragen, während sie gleichzeitig formale Auflösungserscheinungen zeigte, wo Intention die Vollendung und Ausdruck den Stil ersetzte. Folgerichtig hieß die vor dem Krieg aufgekommene Kunstrichtung: Expressionismus.
All das fand auch in München seinen Widerhall, während gleichzeitig gesellschaftlich eine extrem konservative Grundhaltung vorherrschte und künstlerisch vorangegangene Epochen wie Jugendstil, Naturalismus und Symbolismus öffentlich präsent waren.
Vor allem aber war die Stadt vor dem Ersten Weltkrieg ein Ort, der junge Menschen mit künstlerischen oder literarischen Ambitionen anlockte, darunter auch etliche spätere Dadaisten, deren Erfahrungen vor dem Krieg ein Fundament für das bildeten, was Dada werden sollte.
Denn Dada kam nicht aus dem Nichts. Das entscheidende Zusammentreffen von Tristan Tzara und Hugo Ball in Zürich ist zwar ohne die zufälligen, kriegsbedingten Verwerfungen kaum vorstellbar, genauso wenig wäre aber Dada ohne Hugo Balls Münchner Erfahrungen und die in München geschlossenen Freundschaften mit Emmy Hennings und Richard Huelsenbeck entstanden.
Im Vordergrund steht bei der Untersuchung der Zusammenhänge zwischen München und Dada Hugo Ball, da er nicht nur Dada gründete, sondern von allen Beteiligten auch die weitreichendsten Erfahrungen aus München mitbrachte. Wenn man so will, exportierte er den Expressionismus von München nach Zürich, wo dann der Blaue Reiter zum Steckenpferd Dada mutierte.
Ebenfalls relativ viel Raum nimmt Franz Jung ein, dessen Münchner Erfahrungen mit dafür verantwortlich waren, dass in Berlin dann eine stark anarchistisch geprägte Variante Dadas entstand.
Eine Fortsetzung finden die Beziehungen zwischen München und Dada nach dem Krieg. So vielfältig sie sind, führen sie nicht zu dadaistischer Aktivität in der Stadt. Daher bleibt die Beziehung Dadas zur Stadt eine – zeitweise intensive – Romanze ohne Happy-End.
Dada in München kommt in der dadaistischen Geschichtsschreibung kaum oder gar nicht vor. Das hat wohl vor allem damit zu tun, dass Dadas Charakter ein deklaratorischer ist: Dada war da, wo es jemand behauptete. Und dieser jemand fehlte für München. Dennoch kann man sagen, dass in München nicht nur die Fanfare für Dada geblasen wurde, es ertönte mit all den sich hier neu orientierenden Dadaisten auch ein dezenter Schlussakkord.
Leseprobe: Das halbe Buch als PDF
SV0011
Bernhard Rusch:
Dada & München
Taschenbuch
Softcover
Klebebindung
250 Seiten
30 Illustrationen
Lesezeichen mit Gebrauchsanweisung
Preis: 18.19 EUR
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